Claudio Monteverdi
L’incoronazione di Poppea
2015: Mozarteum Salzburg
2003: Staatsoper Hamburg
Presse/Press
Mehrfache Nominierung als ” Inszenierung des Jahres” bei der jährlichen Kritikerumfrage der Zeitschrift “OPERNWELT” 2003
OPERNWELT
…ein überaus fesselnder, an- und aufregender Abend…Es macht deren Qualität aus, dass sie banale Analogien strikt vermeidet. Nerone ist Herrscher im Königreich Trash – in der Kulissen-Welt eines geil-gierigen Lebensgefühl ohne gesellschaftliche Normen. Die Figuren leben inmitten blutverschmierter Fassaden aus Pappe, in einstürzenden Neubauten. Die Szenen der Oper schieben sich, mit permanenter Überlappung von Aktion und (arioser) Reflexion, als phantasmagorische Bilderfolge ineinander.
Die Abfolge der Szenen ergibt eine Dramaturgie von alltäglich gewordenen Provokationen und Schocks – die Tagesschau einer haltlos gewordenen Welt…
DAS OPERNGLAS
…Hinzu kam, dass die Regisseurin Karoline Gruber den Raum mit einer Fülle von Einfällen zu beleben wusste. Mit sicherer Hand ordnete sie das Spiel der Solisten, koordinierte geschickt die stark beschäftigte Schar der Statisten und zauberte verblüffend genau kalkulierte Bildwirkungen hervor. Ansatzpunkt ihrer Interpretation sind die Affekte der Figuren, deren Befindlichkeiten bereits durch die “entlarvenden” Kostüme von Henrike Bromber in den Vordergrund rücken. Die Götter spielen in ihren angemoderten Barock-Gewändern nur noch eine untergeordnete Rolle, weil sie nicht mehr in die von Nerone angeführte Spaßgesellschaft passen, die sich hemmungslos der triebhaften Genusssucht hingibt und Abtrünnige konsequent abschiebt oder gar ausschaltet. Wenngleich sich die Figuren heftig an die Wäsche gehen und sowohl hetero- als auch homoerotische Sexualpraktiken andeuten, hütete sich die Regisseurin vor einer allzu drastischen Darstellungsweise. Ohne die objektiven Gesetze von Monteverdis Werk zu missachten, schälte sie aus dem historischen Sujet der Oper eine moderne Parabel über eine von einem Tyrannen regierte Gesellschaft heraus, die letztlich alle moralischen und ethischen Werte für das Lustprinzip fahren lässt.
…man kann kaum Besseres tun, als das Stück als das zu präsentieren, was es ist: grandioses Beispiel der Unordnung, in der DIE WELT, “Hamlet”- nahe, aus den Fugen ist. So hat nun die Österreicherin Karoline Gruber den Ausgang politischen Musiktheaters in Hamburg ausgebreitet: Chaos der Triebe, gesellschaftlichen Umtriebe… Feste Perspektiven, hierarchische Räume gibt es hier nicht. Wo völlige Amoralität herrscht, wäre es Lüge, eine sinnvoll strukturierte Welt vorzugaukeln…
Nero erscheint als narzisstischer Exzentriker … motorisch enthemmt… Einen so agilen Sado-Lust-Kaiser hat man kaum je erlebt… Trotzdem denunziert Karoline Gruber nicht, auch das Scheusal bleibt triebverstrickter Mensch. Und es sind kleine Fingerzeige, mit denen sie Sehnsüchte und Ängste zutage treten lässt… Dass Macht mit sadistischen Ritualen einhergeht, wird drastisch am Schluss verdeutlicht…
Wieder ist der Hamburger Oper eine Produktion gelungen, bei der ungewöhnliches Werk, musikalische und szenische Dringlichkeit sich wechselseitig ergänzten.
Claudio Monteverdis „L’Incoronazione di Poppea“ an der Hamburgischen Staatsoper
…Doch bald ist Schluss mit jeder Distanz; denn es naht mit Neros Jubel über Senecas Tod die schönste Szene der ganzen Aufführung, dann verrät uns die Opernkunst wie in ihren hellsten Sternstunden einmal mehr, dass wir …amoralische vergnügungssüchtige Hedonisten sind…Monteverdi dekonstruierte dafür die Popmusik seiner Tage.
…Regisseurin Gruber aber setzt noch eins drauf. Die beiden zottelig glamourösen Gestalten mit ihrer Vorliebe für billiges Glitzergeschmeide, Sauf-, Kiff- und Sexorgien fallen bald übereinander her. Der Dichter beugt das Knie vor Nerone zum Blow-Job auf offener Bühne, und die Musik scheint beide noch zu animieren.
So bricht „Die Krönung der Poppea“ in Hamburg mit etlichen Lebenslügen der Hochkultur, schlägt sich entschieden auf die Seite des Sinnlichen und begründet einleuchtend, warum die alte abgelebte Oper noch immer nicht ausgestorben ist.
DIE TAGESZEITUNG – Rundum geglückt: Frech und unverkrampft bringt Karoline Gruber Monteverdis „Poppea” auf die Bühne der Staatsoper
Nun hat es Hamburgs Oper endlich wieder einmal geschafft, eine rundum geglückte Produktion herauszubringen, die nicht vom Erfolgsteam Ingo Metzmacher/Peter Konwitschny geleitet wurde.
…Jetzt, bei Monteverdis „Krönung der Poppea“ hat sich die Ausdauer bei der Suche nach neuen, innovativen Regiekräften ausgezahlt. Mit Karoline Gruber wurde eine Persönlichkeit gefunden, die nicht nur ihr Handwerk vorzüglich beherrscht, sondern ebenso Genauigkeit im Interpretieren der Vorlage mit Kreativität und Intelligenz verbindet. .. Die auf historischen Tatsachen beruhende Geschichte … bringt Gruber frech und unverkrampft auf die Bühne. Brillant zeigt die Regisseurin auf, wie diese beiden Gestalten so selbstsüchtig wie lüstern, so skrupellos wie machtgeil über Leichen gehen, um ihre fragwürdigen Ziele zu erreichen. Und sie zeigt, dass dies heute noch aktuell ist: Kurzerhand wird das Geschehen in eine angeblich fun- und eventsüchtige Gegenwart verlegt, aber nie kommt der Verdacht auf, dies geschehe aus oberflächlichen, effektsüchtigen Gründen.
Alle Figuren werden in facettenreicher Glaubwürdigkeit dargestellt, nie kommt eine plumpe szenische Schwarz-Weiß-Zeichnung dabei heraus. … niemand kommt angesichts dieser starken Inszenierung auf die Idee, dass es heutzutage um die Sitten besser bestellt sein könnte als zu den gezeigten Zeiten Neros und Poppeas.
DEUTSCHE WELLE
… abermals Beleg dafür, dass die vermeintlich überholte Gattung Oper derzeit mehr anspruchsvoll entlarvende Kulturkritik leistet als etwa das zeitgenössische Schauspiel – diesmal in einer attackenreichen Vergegen- wärtigung von Claudio Monteverdis “Krönung der Poppea” aus dem Jahr 1643.
… Karoline Gruber hat daraus einen konsequent durchdachten und präzise geformten Musiktheater- abend gemacht, der ganz ins Hier und Heute zielt.
HAMBURGER ABENDBLATT
… Karoline Grubers Inszenierung von Claudio Monteverdis Barockoper “L’Incoronazione di Poppea” legte sich mächtig ins Zeug… das war bunt und nie langweilig, denn das Charisma der Musik blieb unangetastet…
… Mit diesem „Poppea “-Update hat Hamburg eine zweite rundum gelungene Barock-Inszenierung im Angebot… Gruber …hat grundlegend verstanden. worin das Problem bei dieser Art von Repertoire liegt -und wie man es löst: … Sie entschloss sich für eine zynisch überdrehte MTV-Variante und hielt konsequent durch. Das machte die Inszenierung unterhaltsam. Und genau das war wohl auch schon Monteverdis Anliegen… am Ende gab es begeisterten Beifall…