Giacomo Puccini
Le Villi
2005: Staatsoper Wien
Presse/Press
APA
Wischmopp-Tanz, knallbunte Trachten-Verschnitte und Puppenküchenmobiliar: Zur kitschigen Gartenzwergästhetik (Ausstattung Johan Engels) bildet Puccinis süßer Wohlklang den passenden Zuckerguss. Man versteht schon auf den ersten Blick, warum der Bräutigam Roberto (intensiv Jose Cura) aus dieser Horror-Idylle ausbricht – auf Kosten seiner Braut (beeindruckend klar Krassimira Stoyanova), die an gebrochenem Herzen stirbt. Alles wird grau, und als stimmgewaltiger Racheengel schwingt sich Franz Grundheber als Braut-Vater auf und beschwört die Wilis, die Seelen verlassender Mädchen. In dieser übertriebenen, schablonenhaften Idylle/Horrorvision vermag Gruber die Geschichte der von allen Seiten verlassenen Frau glaubhaft und nahe gehend zu entwickeln. Neben den übrigen Abziehbildern wirken Roberto und Anna als Einzige lebendig – zwei Individuen, die sich mit den äußeren Zwängen nicht anfreunden wollen oder können. Young unterstützt die extreme szenische Deutung mit voll ausgekosteten Melodiebögen.
Es war ein Abend starker Frauen, Young und Gruber, über schwache Frauen.
SALZBURGER NACHRICHTEN
Grubers „Le Villi” sind dann ein Weckruf aus dem Dunkel: Tatsächlich schweben von oben Kuckucksuhren (die Geschichte spielt im Schwarzwald) auf die knallbunte Szenerie (Johan Engels) herab: Die Zeit, bis sich das Liebespaar (Krassimira Stoyanova und Jose Cura) trennen muss, ist knapp. Der Mann betrügt in der Fremde seine Braut, worauf diese stirbt und sich als Geist an ihm rächt In dieser Produktion ist alles im Lot: Die beiden Protagonisten singen hinreißend, Inszenierung und die poppige Ausstattung greifen sinnstiftend ineinander und Simone Young hat die Musik in schwungvoll festem Griff.
Karoline Grubers Regie formuliert denn auch eine flammende Anklage gegen die Willkür der von männlichen Werten diktierten Gesellschaft, welche die Selbstverwirklichüng der Frau in die Küche verweist- Mit Hilfe von Ausstatter Johan Engels hebt sie eine Art Stepforce im Schwarzwald auf die Bühne, samt Kühlschrank voller Bierdosen, Waschmaschine und den in grelle, Trachten aus Kunststoff gekleideten Einheimischen, die wirken wie Animatronics aus Disneyland. Der ungetreue Roberto wird am Schluss von den Automaten-Villi ebenfalls in Plastiktracht gesteckt und quasi auf Ewigkeit zum Unterhaltungsroboter verdammt.
Die drei engagiert agierenden Protagonisten – die wunderbare Krassimira Stoyanov als Anna, Jose Cura mit kraftvollen Bronzetönen als Roberto sowie der noch immer geschmeidige Franz Grundheber als Annas Vater – können sich vom nur in wenigen Momenten zu groß auftrumpfenden Staatsopernorchester stets getragen fühlen. Am Schluss die vorhersehbare Buhdusche für die Regie. Nichtsdestotrotz insgesamt ein bemerkenswerter Abend.
DIE WELT
Leider ist der Geschmack des Wiener Publikums höchst unzuverlässig. Während die treffliche Dirigentin, Hamburgs Intendantin und Generalmusikdirektoxin, gebührend gefeiert wurde, schallte der jungen österreichischen Regisseurin Karoline Gruber nach „Le villi” ein Buhkonzert entgegen. Ein krasser Justizirrtum der Volkesstimme. Denn die Inszenierung ist klug, intensiv und konsequent.
Karoline Gruber hat sowohl das tänzerische Element der „Opera ballo” als auch den Erzähler ausgeblendet, der von den sexuellen Untaten Robertos – ausgerechnet in Mainz! – berichtet. Sie ironisiert durchaus angemessen den Kitsch der Schwarzwald-Gespensterstory mittels greller Popfarben, eines buchstäblichen Männerwalds in Shorts und monumentaler Uhren. Indem die Inszenierung die leidenschaftlich aufschäumende Musik (es erklingen bereits die Puccinischen Schluchzer) mit bewußt eher statischen Gestalten kontrastiert, baut sich wie von selbst starke Spannung auf. Glänzend: Krassimira Stoyanovas Anna und der Roberto von Jose Cura. Bei solcher Besetzung kann eigentlich kaum etwas schiefgehen, zumal Simone Young im Orchestergraben für mitreißenden Schwung sorgt. Und die Moral von der Geschicht’: Kränk’ ein Schwarzwaldmädel nicht!