Georg Friedrich Händel
Giulio Cesare in Egitto
2005: Staatsoper Hamburg
Presse/Press
ZEIT (Dossier)
…Ein Opernabend in Deutschland. Ein Triumph…
…grandiose Musik und eine grelle Geschichte von Liebe, Sex, Verrat, politischer Ranküne… Vier Stunden Kampf der Kulturen, auf der Bühne zwischen Römern und Ägyptern, aber auch zwischen Bühne und Publikum. Unten die, die in die Oper gehen, weil sie die Zumutungen des Alltags vergessen wollen, Graffiti, sexuelle Gewalt, weltmachtgeile Politiker. Oben die Sänger, Musiker, die im Auftrag der Regie zeigen, dass die uralte Kunstform Oper nur dann noch lebt, wenn sie mit der hässlichen Gegenwart zu tun hat… Wie viel Arbeit nötig ist für vier Stunden Unterhaltung, Aufregung, Empörung, Aufklärung ahnt da unten im Publikum kaum jemand.
HAMBURGER ABENDBLATT – Die Liebe im Räderwerk der Macht
Frech, flott, fröhlich, freizügig: Karoline Gruber inszenierte Händels „Giulio Cesare in Egitto
…geht Karoline Gruber bei „Giulio Cesare in Egitto“ einen ganz eigenen, einen ganz cleveren Regie-Weg: Zuerst wird auf Pointe komm raus gealbert und überdreht. Dann auf Gedeih und Verderb geliebt. Im dritten Akt ohne Wenn und Aber geläutert. Die Katharsis kommt spät, aber gewaltig.
Diesen Dreh kann man sich jedoch nur leisten, wenn man über ein Sänger-Ensemble mit genügend Kondition und Spielwitz verfügt… Anfangs wirft diese Inszenierung noch mit Popkultur-Zitaten und Witzchen um sich, dass es nur so kracht im Handlungsgebälk… Grubers Bilder säuseln „Ich liebe !“ Händels Musik gurrt in schönsten Tönen „Liebe mich!“. Hinter einer Schiebetüre allerdings wird Tolomeus Blondinen-Sammlung sichtbar, ein Verlies, in dem auch Cornelia, die Gattin des von ihm ermordeten Pompejus, landen soll. Es wird hier und da tiefenpsychologisch und entsprechend fies. Im dritten Akt zerbrechen die Illusionen endgültig… Statt Triumph, den die Instrumentalmusiker an der Skepsis der Stimmen vorbei verkündet, nur Blicke ins Leere und ratlos Tristesse. Wie gewonnen, so zerronnen.
OPERNWELT – In der Popkultur von heute
Ein berührender, durchaus auch in der Musik angelegter Schluss… Bei Karoline Gruber entspringen die Figuren Händels einer stilisierten Popkultur von heute… Regisseurin Karoline Gruber und Dirigent Alessandro De Marchi arbeiten Hand in Hand, wenn angesichts des betrunkenen Casare auch die Geige ins Trudeln kommt oder in der rasanten Zuspitzung einer Arie die Szene explodiert… die vielfach gelungene Gratwanderung zwischen Komik und zunehmender Tragik. Selbst Nebenfiguren überzeugen in einem Konzept, das – wie oft bei Gruber – nicht nur von den Protagonisten, sondern auch von einer Reihe hochmotivierter Statisten getragen wird.
Christopher Street Day am Strand vom Roten Meer
Da ist etwas im Bush: Karoline Gruber inszeniert Händels „Giulio Cesare in Egitto“ an der Hamburgischen Staatsoper als grelle Politposse.
… Szenisch radikal die Umdeutung von Cleopatras Welt. In der dramaturgisch zentralen Szene der Oper zu Beginn des zweiten Aktes führt Cleopatra ein sinnlich betörendes Schauspiel auf. .. Die Aufführung gewinnt im zweiten Akt an Intensität und Spannung, durch die Herstellung eines Zeitgeflechts, in das aktuelle Konflikte eingewoben sind. Das gilt vor allem für den dritten Akt. Cäsar, der sich aus allen Nöten gerettet hat, wird die Furibondo-Arie des schwertschwingenden Siegers ebenso versagt wie der Jubelchor, wenn er der ägyptischen Königin die Insignien der Macht zurück erstattet hat. Er erlebt seinen Sieg als Albtraum und Desaster der Zerstörung. Nach dem jauchzenden Finalduett über Liebe und Treue zieht er, ein zerstörtes und zerrissenes Land hinterlassend, triste von dannen. Auch ohne plakative Zeigefingerhinweise ist der Hintersinn der politischen Parabel unmissverständlich: das einem Sieg im Krieg das Verhängnis folgt…
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG – Julius Cäsar für heute
…Kulturen müssen nicht aufeinander prallen. Sie können auch miteinander spielen. Sie müssen nicht bedrohlich auftrumpfen, sondern können sich so viel Zeit lassen, bis hinter der Maske des komödiantischen Miteinanders der Ernst der Lage erkennbar wird, Verrat und Gewalt in die Einsamkeit führen..
Karoline Gruber führt Regie und den Imperator in eine sehr bewegliche Welt von heute… Um den Herrscher der Antike ins Heute zu heben, nutzt Karoline Gruber nun Bilder aus der Popkultur und den Welten de4s Comics… Ein Happy End blieb aus… Letztendlich findet man doch nicht zueinander. Allein gelassen sind sie alle, diese Bewohner einer Welt zwischen Shakespeare und Shaw. Jubel für alles Musikalische. Buhrufe fürs Regie-Team von jenen Kennern, die so gern in die Sekundenpausen vor Beginn der Kadenz klatschen.
KIELER NACHRICHTEN – Viel Unheil, viel Kurzweil
…frisch und frech in Hamburg auf die Bühne gebracht. Das entstandene Wechselbad aus unheilig humorvoller Kurzweil und kurzweilig dramatisiertem Unheil ist für unverkrampfte Regietheater-Fans sehenswert… Angerichtet hat diese mal aggressiv freche, mal amüsant blödelnde Lesart die Regisseurin Karoline Gruber, die in Hamburg schon mit Monteverdis „Poppea“ Aufsehen erregt hatte… Die verzwickte Handlung wird glasklar visualisiert – kein geringes Verdienst… Kleopatra, der Händels besondere Aufmerksamkeit gilt, schwebt hier wie eine Dea ex machina als giftige Fliegenpilz-Madonna aus dem Schnürboden.
HANNOVERSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG – Menschen ohne Menschlichkeit
…doch bald wird aus dem quirligen Spaß ein Albtraum. Der Harem des ägyptischen Königs ist keine erotische Folklore, sondern eine Ansammlung psychischer und physischer Wracks. Die Frauen sind nur noch, was übrig bleibt, wenn die Menschlichkeit die Menschen verlassen hat. Gierig stürzen sie sich auf das rohe Fleisch, mit dem sie gefüttert werden. Die Gewalt, die man ihnen angetan hat, ist offensichtlich… Es geht um sexuelle Gewalt, um Mord und Verrat. Und das hinterlässt Spuren. Grubers Opernhelden sind alle traumatisiert. So gibt es am Schluss keine Rettung… und wenn Cäsar – selbst überraschend dem Tod entronnen – Kleopatra aus Gefangenschaft und Erniedrigung rettet, ist es längst zu spät fürs Glück. Das alles ist kühn und klug gedacht und zwingend in Szene gesetzt… „Cesare forever“ verkünden die Hamburger Programmhefte und Plakate in großen Lettern. Der eigentliche Titel der Oper findet sich nur im Kleingedruckten. Der Abend ist damit gut beschrieben. Dieser Händel ist ganz anders als gewohnt. Und trotzdem großartig. Händel forever.