Jan Müller-Wieland
Der Held der westlichen Welt
2006: Oper der Stadt Köln
Presse/Press
FRANKFURTER RUNDSCHAU
In Regisseurin Karoline Gruber hat er eine adäquate Partnerin gefunden, die für ihr konfektioniertes Panorama ein Deix’sches Panoptikum aus Spießbürgern und Dorf-Machos in einer Bierkastenlandschaft auffährt. Und mittendrin: der aus dem Familienschoß gefallene Christopher Mahon, der den ihm entgegengebrachten Ruhm genießt, da er seinen tyrannischen Über-Vater angeblich erschlagen hat. Bei Gruber löst sich diese ödipal verquere Konstellation in einem sozialromantischen Happy End auf. Der Vater hat wieder einen Job, nachdem ein Engel mit einem Stellenangebot von der Arbeitsagentur hineingerauscht ist. Die Mutter hört mit dem Saufen auf. Und Christopher Mahon kann endlich alle Mordphantasien und Äxte gegen einen Teller Rübensalat eintauschen. Einfach märchenhaft. Zumindest weiß man nach Müller-Wielands Held der westlichen Welt noch genauer: Die große, zeitgenössische Oper mit ihren wahren und tragischen Helden findet zurzeit sowieso nicht auf der Musiktheater-Bühne, sondern unter freiem Himmel und aufm Platz statt. Am Tag der Uraufführung wurde Ex-Titan und Nationalkeeper Oliver Kahn auf die Ersatzbank gesetzt.
RHEINISCHE POST
Die Szene besorgen Karoline Gruber (Regie) und Thilo Reuther (Ausstellung), und das sieht ein wenig aus, als seien Christoph Schlingensief und Frank Castorf von der Klimbim-Familie adoptiert worden und müssten Kindergeburtstag fei-ern..Triumph des Simplen, Billigen, Improvisierten, Spanplattenhaften. Alles Absicht Manche im Saale begriffen indes weder den Hintersinn der Bildsprache (das Kreuz aus Bierkisten) noch die massiv theologischen, satirisch gebrochenen Verweise des Textes („Warum hast du mich nicht verlassen?”; „Sohn des lebendigen Papas”). Der Leser wittere hier nicht Blasphemie, sondern Verspieltheit, für die es irr. Schlagschatten des Kölner Doms tolerante Aufnahme geben sollte.
Markus Stenz am Pult des taten-lustigen Gürzenich-Orchesters leitet die Produktion meisterlich: die Solisten überstrahlte der gymnastisch bewegte Sonderklassensopran von Claudia Rohrbach; Müller-Wieland hat für das Milchgesicht also eine Hosenrolle erfunden, was den Aspekt einer umfassenden Travestie der Themen noch erhöht. Ihre Stellung der Oper in der Musikgeschichte ist schwer zu orten; irgendwo zwischen Strawin-skys Silbenzertrümmerungen, den „Nonsense”-Chören Petrassis und den Opern „Broucek” (Janäcek). „Der Idiot” (Schnittke) und „Stephen Climax” (Zender). Trotzdem bietet der „Held” etwas Neues, das der westlichen Welt gut ansteht.
Hinterher erreichten Lob und Ablehnung stärkste Pegelstände.
KÖLN EXPRESS
Nein, das war nix fürs Abo-Premieren-Publikum! Schon nach dem zweiten Drittel der Uraufführung der Oper „Der Held der westlichen Welt” stürmten viele hinaus. Und auch am Schluss gab es – neben großem Jubel für die Sänger, allen voran Claudia Rohrbach – genügend Buhs für den Komponisten Jan Müller-Wieland und die Regisseurin Karoline Gruber.
Erzählt wird die Geschichte eines jungen Mannes, der ein paar Mal behauptet, seinen Vater erschlagen zu haben. -Jedes Mal wird er zunächst dafür gefeiert – bis der Vater quicklebendig auftaucht.
Die Regisseurin setzt der abgedrehten Geschichte noch einen drauf: Sie steckt die Sänger in herrliche Proll-Outfits, auf die Atze Schröder neidisch wäre, und lässt sie mit Dutzenden von leeren Bierkästen spielen. So wird aus dem musikalisch schwierigen Stück ein herrlicher Opern-Spaß.